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Leben bis zuletzt – Sven Gottschling

Leben bis zuletzt

Wie das Buch zu mir kam

Auf dem letzten Kongress auf dem ich im Januar war hat Prof. Dr. Sven Gottschling einen Vortrag über die letzten Tage im Leben schwerstkranker Menschen gehalten – Leben bis zuletzt.

Es war sein Wechselbad der Gefühle. Anekdoten aus seinem Alltag als Kinderarzt und Palliativmediziner bei denen er von lustigen, skurilen und traurigen Momente berichtet hat.
Lachen und Weinen liegen dabei sehr nah beieinander.

Da ist auf der einen Seite der Lateinlehrer, der bei der Wortherkunft palliativ eher an Pala – die Schaufel denkt als an pallium – der Mantel, und sich unter dem Palliativermediziner eher einen Totengräber vorstellt, der ihn mit seinem Klappspaten schnellstmöglich unter die Erde bringt. Auf der anderen Seite liest Gottschling einen von einem Kind geschrieben Liedtext vor „Wir wollten uns immer die Wahrheit sagen“, indem es darum geht, dass das kranke Kind sehr wohl merkt, dass es sterben wird, seine Eltern es sich aber nicht auszusprechen wagen.

Über das Buch

Herr Gottschling hat sich den Lebenden verpflichtet und seine Aufgabe ist es als Palliativmediziner dem verbleibenden Leben Sterbender soviel Lebensqualität wie möglich zu geben und wenn es soweit ist das Sterben schmerz- und angstfrei zu gestalten.

Das Buch gliedert sich in sechs Kapitel und am Ende des Buches berichtet er über zwei Frauenschicksale, die beide heute so alt wären wie ich.

In den verschiedenen Kapiteln erklärt er wieso er seine Arbeit gerne macht und räumt mit Mythen um den Tod und das Sterben auf.
Tod muss nicht schmerzhaft sein, Schmerzmedikamente müssen nur eingesetzt werden.
Ärzte können nicht abschätzen wie lange ein Patient noch zu leben hat, Schmerzmittel machen weder süchtig, noch verbraucht sich ihre Wirkung.

Im dritten Kapitel geht es konkret um Beschwerden am Lebensende. Schmerz, Luftnot, Übelkeit, Erschöpfung, psychische Probleme bis hin zum Sterben selbst.

Im vierten Kapitel regt er an über den Tod zu sprechen und es auszusprechen und nicht eine der vielen Umschreibungen von dahinscheiden über abnippeln bis hin zu ins Gras beißen zu nutzen. Es ist schwierig die richtigen Worte zu finden, aber wenn man unsicher ist wie man reagieren soll, sollte man dies lieber aussprechen anstatt sich mit „wird schon wieder“ aus der Situation zurück zu ziehen.

Im fünften Teil gibt er konkrete Tipps wo man Hilfe bekommt. Vom Sterben zu Hause über das Sterben in einer Einrichtung: ambulante Hospizdienste, Palliativstationen, SAPV …

Zu letzt ein Exkurs über Sterbeverhinderung, Lebensverlängerung und Sterbehilfe. Wie zynisch es ist Sterbehilfe zu fordern, wo es doch vorallem auf Grund einer Unterversorgung der sterbenden Menschen mit geeigneter medizinischer Versorgung und Fürsorge überhaupt zu dem Wunsch danach kommt.

Wer sollte es lesen

Alle die sich mit dem Thema Sterben und Versorgung am Lebensende beschäftigen wollen. Alle die Angst vorm Tod und Berührungsängste mit Sterbenden verlieren wollen.
Für alle, die sich fragen, wie man seiner Familie und seinen Angehörigen ein würdevolles Sterben ermöglichen kann.

Was ihr sonst noch wissen müsst

Fischer Verlag
6. Auflage April 2017
267 Seiten
ISBN 978 3 596 03420 8

Mauersegler – Christoph Poschenrieder

5 Freunde fassen den Entschluss, ihren Lebensabend in der WG zu verbringen. Carl, Heinrich, Ernst, Siegfried und Wilhelm kennen sich seit ihrer Kindheit und beschließen, dass sie es sind, die ihr Leben und auch ihr Lebensende bestimmen.  Carl schreibt die Geschichte der fünf auf und erzählt vom gemeinsamen Altern, den Beschwerlichkeiten, aber auch den Freuden, dem Todesengelprogramm, das für alle fünf die Lösung sein soll, wenn es nicht mehr geht.

Über den Mauersegler:

„Mir gefällt die Vorstellung, dass sterbende Mauersegler einfach die Flügel falten und zu Boden stürzen. …. Der Mauersegler legt die Flügel an und will nicht mehr fliegen. So soll es auch mit mir zu Ende gehen.“

Es ist mein erstes Buch von Poschenrieder. Ich bin kein Literaturkritiker, insofern kann ich nur sagen, dass ich das Buch sprachlich sehr schön fand. Das Altern als „unfreiwillige Geschlechtsumwandlung … mit neuen (Un-)Möglichkeiten“ gibt eine schöne Beschreibung für das, was man wohl empfinden wird, wenn man merkt, dass der eigene Körper nicht mehr so will, wie man es ihm aufzwingen möchte.

„Als ob das Aussehen bei uns noch eine Rolle gespielt hätte. … (Ich weiß schon noch, was schön ist, meinetwegen „sexy“. Aber es hat keine Bedeutung im Sinne von Begehren mehr. Heute geht das Begehren meist einher mit leisem Bedauern.)“

Dieses Buch liest sich leicht. Mit seinen kurzen Kapiteln macht es einen nachdenklich und entlockt einem das ein oder andere Schmunzeln. Traurig lässt es mich nicht zurück. Es gibt mir ein gutes Gefühl zu wissen, dass sich diese 5 Männer bis zum Ende unterstützt haben.