Unfassbar! Nun ist der Blog schon fast 1,5 Jahre alt und noch nie habe ich über Amélie Nothomb oder ihre Bücher geschrieben. Das ist deshalb so ungewöhnlich, weil sie zu meinen absoluten Lieblingsautoren zählt und ich eigentlich jeden ihrer Romane innerhalb kürzester Lesezeit verschlinge!
Worum geht es?
In einer Zeit der fragwürdigen Fernsehshows wagt ein Sender das Undenkbare und errichtet ein Big-Brother-Konzentrationslager, in dem zufällig ausgewählte Gefangene von gecasteten Wärtern gequält werden – wer „rausgewählt“ wird, stirbt. In diesem Lager treffen die Gefangene CKZ 114 und Kapo Zdena aufeinander und geraten in einen bizarren Machtkampf.
Viel mehr möchte ich dazu eigentlich nicht sagen, denn der Roman ist – wie alle Werke von Amélie Nothomb – erfrischend knapp geschrieben.
Was ist großartig an dem Roman?
Zunächst einmal die üblichen Verdächtigen: die Sprache und die Dialoge. Mit jedem Buch, dass ich von ihr lese, bedauere ich es mehr, dass ich es nicht im Original lesen kann. Nothombs Sprache ist klar und von radikaler Knappheit. Dadurch lassen sich ihre Texte gut lesen und wirken sehr frisch. Hinzu kommt, dass die Texte sehr dialoglastig und dadurch sehr dynamisch sind. Auch in diesem Roman treffen in einer „seltsamen Situation“ wenige Figuren aufeinander, die oftmals auch überraschende Sichtweisen haben.
Was gefällt mir nicht so gut?
Ich war bis zum Schluss nicht davon überzeugt, dass ausgeschiedene Kandidaten tatsächlich getötet werden. Zwar wird beschrieben, dass die Kapos die Häftlinge misshandeln, aber der „Schrecken“, der eigentlich von einer Fernsehshow dieser Art ausgehen sollte, kam bei mir nicht an, deshalb hatte ich keine richtige Angst um die Häftlinge. Darüber hinaus ist mir die beiläufig hinzugefügte Zuschauer- und Medienkritik zu unspannend. Das hat man inzwischen oft genug gehört und so richtig schuldig kann ich mich auch nicht fühlen, da ich selbst gar keine „Shows“ gucke.
Solltet ihr den Roman lesen?
Meine Kritikpunkte sehen auf den ersten Blick gewichtiger aus, als sie eigentlich sind. Im Grunde ist das Jammern auf hohem Niveau. „Reality Show“ ist nicht der beste Text, um einen Zugang zu Amèlie Nothombs Werk zu finden, aber dennoch hoch unterhaltsam und toll zu lesen. Solltet ihr also bereits etwas von ihr gelesen haben und euch fragen, ob dieser Roman der nächste sein soll: ja! Solltet ihr noch nie etwas von ihr gelesen haben und seid dennoch neugierig geworden, seien euch „Die Metaphysik der Röhren“, „Böses Mädchen“ oder „Der Professor“ wärmstens ans Herz gelegt.
Was sonst noch wichtig ist
Übersetzt von: Brigitte Große
Originaltitel: Acide sulfurique
ISBN: 978-3-257-23943-0
Verlag: Diogenes
Erschienen: 21. Juli 2009